Ostern in Rom bedeutet für mich Hochsaison. Harter Saisonstart. Ich lebe seit 15 Jahren in Rom und arbeite als Stadtführer. Deshalb assoziiere ich mit dem Osterfest Arbeit, Arbeit und nochmal Arbeit. Lange Tage mitten im Trubel, Schlange stehen vor Monumenten und sich dabei „den Mund fusselig reden“, um meinen Gästen die langen Wartezeiten so informativ und unterhaltsam wie möglich zu machen. Von jetzt bis Ende Oktober können wir die freien Tage fast an zwei Händen abzählen. Und das ist auch gut so, denn nach den Wintermonaten, in denen wir eher gelegentlich arbeiten, fehlt uns die Gäste. Uns fehlen ihr Interesse, ihr Lachen und ihre Dankbarkeit, und wir freuen uns unsere Zeit wieder mit ihnen verbringen zu dürfen. Ostern ist da Nebensache.
Nach zwei Jahren Ostern als Hauptsache, ohne Gäste, ohne Touren freue ich mich dieses Jahr endlich wieder mit euch unterwegs zu sein. Doch wenn ihr gerade nicht mit mir auf Tour sein könnt, und ich nicht beim Anstehen Oster-Anekdoten erzählen kann, sollt ihr natürlich trotzdem etwas darüber erfahren wie die Römer und Italiener generell Ostern feiern, und wie sich das vom deutschen Osterfest unterscheidet.
Wo ist denn der Hase hin?
Während in Deutschland schon Monate vor Ostern in den Supermärkten die Regale vor lauter Osterhasen aus den Nähten platzen, suche ich in Italien und auf den Märkten das „olle Karnickel“ vergeblich. Keine Hasen, keine Küken. Das hängt mit der katholischen Tradition des Landes zusammen, die viele heidnische Bräuche verdrängte. In Deutschland haben die Bräuche den Frühjahrsbeginn mit Küken, Hasen, Narzissen, Weidekätzchen und Eiern zu feiern überlebt. Ostern ist zwar streng genommen ein christliches Fest, doch an alten Traditionen halten wir fest. Und dass der Hase mit Jesus Christus nichts am Hut hat, sondern mit dem steigenden Hormonhaushalt der Lebewesen in Frühling, ist offensichtlich. Überlebt hat in Italien nur das Schokoladenei. Die gibt es an jeder Ecke. Im Christentum ist nur das Ei mit dem Wiedergeburtsmythos verbunden, und wird deshalb an Ostern verschenkt.
Nach Italien und auch zu Ostern in Rom, kam der Brauch an Ostern Eier zu verschenken, man höre und staune, aus dem Deutschland des Mittelalters. Der Einfluss der deutschen Brauchtümer auf die Christengemeinde war damals groß. Das lag am Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, der Allianz der zentraleuropäischen Machtstrukturen mit der römischen Kirche. Es ist kein Zufall, dass sechs von acht deutschen Päpsten in 11. Jahrhundert regierten. Durch die europaweiten familiären Beziehungen der herrschenden Elite, verbreitete sich der Eierbrauch damals in ganz Europa, und kam somit auch in Italien an. Adlige und Aristokraten beschenkten sich mit Eiern aus Gold und Silber, oder aus Schokolade, manchmal sogar mit einer Überraschung im Inneren. Ein Schokoladenfabrikant aus dem Piemont, Pietro Ferrero, blieb der Tradition treu. Jedes Jahr zu Ostern produzierte er Schokoladeneier mit Spielzeug im Inneren, dem „Ur-Opa“ vom Überraschungsei (seit 1974).
Ostern in Rom - "Das Osterlamm und die Tierschutzbewegung"
Ganz nach christlicher Tradition, kommt in Italien, wie auch bei uns in Deutschland, zu Ostern Lamm auf den Tisch. Doch in Italien ist es ein Milchlamm, das „abbacchio“, welches in Rom schon seit der Antike als Spezialität gilt und im Ofen mit Kartoffeln und Artischocken zubereitet wird. Ein Milchlamm ist besonders jung. Wie ein Spanferkel, hat auch das Milchlamm noch kein Grass zu sich genommen, sondern sich bisher nur von Muttermilch ernährt. Ein normales Lamm ist circa ein Jahr alt, ein Milchlamm nur etwa drei Monate.
Schon lange versuchen Italiens Tierschutzbewegungen die Bevölkerung zu sensibilisieren. In den Wochen vor Ostern häufen sich die Beiträge in den sozialen Medien, die diese Tradition als „barbarisch“ beschreiben. Ihr Ziel ist es, Menschen zu überzeugen auf das Milchlamm an Ostern ganz zu verzichten, oder als Alternative Fleisch vom juvenilen Lamm zu servieren. Ich esse „abbacchio“ wirklich sehr gerne, doch nur meine Herkunft macht mich zum „Barbar“. Anstatt ein Milchlamm gibt es dieses Jahr eine Lammlasagne, dazu reichen 300 Gramm aus der Keule des älteren Tieres.
Brunch, Mittagessen oder Picknick?
Der Sonntagsbrunch ist das neue Sektfrühstück. Nirgendwo in Europa wird an Sonntagen so viel „gebruncht“ wie in Deutschland. Während man fast immer einen Tisch zum Abendessen findet, sind Restaurants, die einen Sonntagsbrunch anbieten meistens früh ausgebucht. In meinem Elternhaus zog das Ostersonntagsbrunch schon in den 1980er Jahren ein. Ein üppiger Ostersonntagsbrunch mit Familie und Freunden, Ostermontag dann Mittagessen bei Oma und Opa, so wurde bei uns Ostern gefeiert.
Das Frühstück ist in Italien aber das Stiefkind der Mahlzeiten. Darunter haben schon viele Besucher aus Deutschland gelitten. Das Frühstücksangebot in italienischen Gastunterkünften lässt meist zu Wünschen übrig. Zwar gibt es in Rom eine kleine „Brunch-Szene“, traditionell ist das aber nicht. Hier wird in der Familie gefeiert. Ostersonntag „Mittagessen“ bei Oma und Opa, das geht dann meistens bis zum Abendessen. An „Pasquetta“, dem „kleinen Ostern“, so heißt in Italien der Ostermontag macht man einen Ausflug ins Grüne. Ein ausgedehnter Morgenspaziergang mit der Familie, bei dem oft auch Freunde der Familie mitkommen, mit anschließendem Restaurantbesuch oder einem Picknick. Die Restaurants der unmittelbaren Umgebung Roms sind lange im Voraus ausgebucht. Ohne Reservierung geht meist gar nichts. Das sollte man unbedingt bedenken, wenn man einen Rombesuch zu Ostern plant.
Verfasst von Niels Arne Dilger im April 2022.